Die schwersten Wege – Hilde Domin (1909 – 2006)
Die schwersten Wege werden alleine gegangen, die Enttäuschung, der Verlust, das Opfer, sind einsam.
Selbst der Tote der jedem Ruf antwortet und sich keiner Bitte versagt steht uns nicht bei und sieht zu ob wir es vermögen.
Die Hände der Lebenden die sich ausstrecken ohne uns zu erreichen sind wie die Äste der Bäume im Winter.
Alle Vögel schweigen.
Man hört nur den eigenen Schritt und den Schritt den der Fuß noch nicht gegangen ist aber gehn wird.
Stehenbleiben und sich umdrehn hilft nicht. Es muß gegangen sein.
Nimm eine Kerze in die Hand wie in den Katakomben, das kleine Licht atmet kaum.
Und doch, wenn du lange gegangen bist, bleibt das Wunder nicht aus, weil das Wunder immer geschieht, und weil wir ohne die Gnade nicht leben können: die Kerze wird hell vom freien Atem des Tags, du bläst sie lächelnd aus wenn du in die Sonne trittst und unter den blühenden Gärten die Stadt vor dir liegt, und in deinem Hause dir der Tische gedeckt ist.
Und die verlierbaren Lebenden und die unverlierbaren Toten dir das Brot brechen und den Wein reichen und du ihre Stimmen wieder hörst ganz nahe bei deinem Herzen.
Dir hutt an dëse schwieregen Zäiten e léiwe Mënsch verluer. Mir wëllen Iech mat Ärer Trauer net eleng loossen an offréieren iech d’Méiglechkeet zum Gespréich. Rufft eis un.
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